50 000 000 Tote – Wann wird man je verstehen?

Lesung und Vortrag aus einem Antikriegsroman – mit Günter Sehrbrock

Havixbeck. „Krieg darf es nicht mehr geben! Krieg bedeutet nur Tod, Blut und Schmerzen!“ Der Sonntagnachmittag wurde ein einziger leidenschaftlicher Appell! Der Friedenskreis an der Anne-Frank-Gesamtschule Havixbeck hatte aus Anlass des Anti-Kriegstages am 1. September Günter Sehrbrock aus Münster eingeladen. Da saß er nun – einen Tag vor

seinem 100. Geburtstag, sprach berührend und eindrucksvoll zu den rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörern in der Schul- und Gemeindebibliothek, mal leise und nachdenklich, dann wieder kräftig und laut. Er hat den Krieg als junger Soldat selbst erlebt, hat seine schrecklichen Erfahrungen in seinem neuen Buch „50 000 000“ einfließen lassen. Insofern ist es ein authentisches Buch, wenn auch fiktional. Günter Sehrbrock schilderte zu Beginn des Nachmittags lebendig sein bewegtes Leben. 13-mal sei er umgezogen. Beruflicher Höhepunkt war für ihn, als er als Architekt im Bayerischen Wald eine mittelalterliche Ruine ausgrub und diese für Besucher zugänglich machte. Sehrbrock: „Dann kam der Überfall Russlands auf die Ukraine. Ich habe fest geglaubt, mein Leben würde im Frieden zu Ende gehen. Doch nun kamen wieder die Bilder, die Bilder aus meinem eigenen Soldatenleben, die Bilder aus der Ukraine, als ich dort als Wehrmachtssoldat war.“ Kurz musste Günter Sehrbrock schlucken, konnte sein Berührtsein kaum verstecken. „Da wusste ich, ich musste schreiben! Es war meine Pflicht! Alle sollen wissen, wie es ist, Soldat im Krieg zu sein, an der Front, in den Schützengräben!“ In der aktuellen Diskussion um den Krieg in der Ukraine werde viel zu viel über Strategien und Waffenlieferungen geredet. Was er vermisse? „Kein einziges Wort über die Soldaten in diesem Krieg!“ Mit Absicht hätte er das Buch „sehr krass“ geschrieben, nichts geschönt, die Leser würden nicht geschont. Da werde auch heute von „Schlachtfeldern“ gesprochen, vom „Blutzoll“, der bezahlt werden müsse. Sehrbrock: „Das ist kein einfaches Sterben an der Front! Nicht wie zuhause. Und vergessen wir nicht: Zu jedem toten Soldaten gibt es eine weinende Mutter. Das ist so furchtbar! Und nicht nur die ukrainischen Mütter weinen um ihre Söhne, auch die russischen.“ Sein Traum: Viele Menschen, auch und besonders junge, sollten dieses Buch lesen. Er wolle aufrütteln, wachmachen: „Krieg ist immer ein großes Morden!“ Andreas Raub, Begleiter und Mitarbeiter von Günter Sehrbrock, las dann aus dem Buch. Beschrieben wird das Schicksal von fünf jungen Menschen, Jugendliche, die froh und glücklich waren, bis der Krieg ihnen das Leben nahm. Zum Beispiel Alexander Witte, der als Infanterist die Krim mit eroberte, dann seine letzten Kräfte im Häuserkampf von Stalingrad verlor, dort in russischer Kriegsgefangenschaft kam und schwer arbeiten musste und sich so sehr sehnte, nach Hause zu seinen Eltern und zu seiner Verlobten Irene zu kommen. Mit einem Viehwaggon ging es nach Jahren zurück gegen Westen. Dort kam er nie an. Seine Kräfte verließen ihn ganz zum Schluss. Einsam und verwirrt starb er auf dem Transport. Sein letztes Bild: Irene. Mit der Trompete verstand es Jonathan Wolter zum Schluss und immer wieder zwischendurch eine ruhige und nachdenkliche Atmosphäre zu erzeugen.  

Bürgermeister Jörn Möltgen hatte zu Beginn den besonderen Gast herzlich begrüßt. „Wir sind so froh, dass Sie nach Havixbeck gekommen sind – mit der wichtigen Botschaft: Krieg darf es nicht mehr geben!“ Auch Christa Degemann-Lickes, Vorsitzende des Friedenskreises, dankte Günter Sehrbrock und endete mit einem Brecht-Zitat aus dem Jahr 1952: „Lasst uns das 1000mal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde… Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind.“

Alle Bücher, die die Buchhandlung Janning mitbrachte, wurden verkauft.
Weitere Bücher sind in der Buchhandlung zu haben: 
Günter Sehrbrock: 50 000 000 – Antikriegsroman, Agenda-Verlag Münster, 2023, 242 Seiten, 19.90 Euro.

Mit freundlichen Grüßen

Robert Hülsbusch

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