Die Friedensinitiative Havixbeck
Im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten 2015 untersuchten zwei Schülerinnen der AFG die Geschichte der Friedensarbeit in Havixbeck
Havixbeck. Anfang der 1980er Jahre gründete sich in Havixbeck eine Gruppe, die damals viel Aufsehen erregte. Sie nannte sich „Friedensinitiative Havixbeck“. Im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des deutschen Bundespräsidenten 2015 mit dem Thema „Anders sein – Außenseiter in der Geschichte“ beschäftigten sich nun zwei Schülerinnen der Anne-Frank-Gesamtschule Havixbeck (AFG) mit dieser Organisation. Ihr Fazit: „Die Gruppe war in der Tat anders, sicher auch Außenseiter. Sie blieb es aber nicht.“ Ann-Kathrin Spreer und Sarah Heithoff, beide im neunten Jahrgang an der AFG, recherchierten die Geschichte der damaligen Friedensinitiative Havixbeck genau und veröffentlichten sie nun in einer umfangreichen Arbeit. Dr. Christa Degemann-Lickes und Roger Reinhard, die in der damaligen Friedensinitiative maßgeblich mitwirkten und noch heute in Havixbeck Friedensarbeit machen, nahmen diese Arbeit freudig entgegen.
Und gerne erinnerten sie sich an die vielen bunten Aktionen, mit denen sie in den 1980er Jahren in Havixbeck auf das Friedensthema aufmerksam machten. Die Initiative beteiligte sich zum Bespiel am Karnevalsumzug in Havixbeck. 1982 wählte sie dafür das Thema „Wir schieben für den Frieden“. Die Gruppe hatte einen Panzer mit geknotetem Rohr gebastelt. Die Botschaft: „Frieden schaffen ohne Waffen“. 1983 waren die Mitglieder der Friedensinitiative wieder am Karnevalsumzug beteiligt. Und sie hatten das Glück, den Zug anzuführen können. Sie verkleideten sich als Indianer. Ihr Motto: „Indianer vom Stamm der weißen Taube auf dem Friedenspfad“. Als „normale“ Besucher des Rosenmontagsumzug die Friedensaktivisten als Spitze des Zuges sahen, kamen – so erinnerte sich Christa Degemann-Lickes – auch kritische Kommentare: „Das fängt ja schon gut an!“
Viele weitere Aktionen folgten: Diskussionsveranstaltungen, Demonstrationen, Marktaktionen. Oft schauten die gemeinen Havixbecker etwas irritiert zu: Die Friedensaktivisten unterschieden sich nicht nur durch die bunten Aktionsformen. Auch ihre Inhalte waren neu: Radikale Kritik der bis dahin geltenden militärischen Abschreckungsdoktrin, die Forderung nach Abschaffung der Bundeswehr und der Nato, halt: Frieden schaffen ohne Waffen. Eine größere Kontroverse löste die Friedensinitiative 1991 aus. Zum 8. Mai fand ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr in Havixbeck statt, eine öffentliche Vereidigung auf dem Schulsportplatz mitten im Ort. Dazu hatte der Bürgermeister eingeladen. Havixbeck unterhielt zu der Zeit eine Patenschaft zu einem Panzerbataillon der Bundeswehr im nahen Handorf. Die Friedensinitiative Havixbeck protestierte dagegen heftig. Da kam es zu richtigen Auseinandersetzungen mit den Politikern, erinnert sich Roger Reinhard. „Wir protestierten mit Briefen an den Bürgermeister und an den Gemeindedirektor und waren mit Transparenten und Plakaten am Rande der Zeremonie präsent.“ Die Plakate, die Roger Reinhard für diesen Protest malte, wollten und sollten provozieren. Auch für den damaligen Gemeindedirektor Guthoff war hier Schluss. Wenn er auch für die Friedensgruppe Sympathien aufbrachte, so kritisierte er diesen Protest deutlich. Insgesamt jedoch schätzt der ehemalige Gemeindedirektor Guthoff die damalige Friedensinitiative heute positiv ein: „Ja, sie waren anders, aber im positiven Sinne. Sie haben Dinge hinterfragt, die wir so im Alltag gar nicht hinterfragt haben, und sie hatten auch den Mut, tätig zu werden. Ich habe sie wirklich geschätzt“, sagte Guthoff in einem ausführlichen Interview den jungen Autorinnen der Arbeit. Das komplette Interview sowie weitere Interviews mit Dr. Christa Degemann-Lickes und Roger Reinhard sind der Geschichtsarbeit als Anhang angeheftet. Dass die Geschichte der Friedensinitiative Havixbeck letztlich eine Erfolgsgeschichte ist, zeigt sich daran, dass es sie heute – nach 30 Jahren – immer noch gibt. Mittlerweile nennt sie sich Friedenskreis an der Anne-Frank-Gesamtschule. Auch heute noch thematisiert dieser Friedenskreis unermüdlich friedenspolitische Fragestellungen, organisiert Informations- und Diskussionsveranstaltungen, holt Referenten und Ausstellungen nach Havixbeck und hinterlässt im öffentlichen Bild der Gemeinde Spuren. So sind die Stolpersteine für die jüdischen Bürgerinnen und Bürger Havixbecks, die im Dritten Reich deportiert und ermordet wurden, eine Initiative des Friedenskreises gewesen – zusammen mit Schülerinnen und Schülern der AFG. Auch die kleine Stele zum Andenken an Yvonne Gerson, die als kleines Mädchen deportiert wurden, war eine Idee des Friedenskreises. Zuletzt präsentierte der Friedenskreis mit der Universität Münster und der Anne-Frank-Gesamtschule eine Arbeit zur 100jährigen Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges. Der Friedenskreis hängte an die Gedenkkapelle am Friedhof zwei Banner auf. Das eine Banner zeigte das Wort „Frieden“ in vielen Sprachen, das andere stellt mit einer großen weißen Fläche die Friedensfahne dar. Das wäre vor vielen Jahren nicht möglich gewesen. Und so bewerten die beiden Schülerinnen Ann-Kathrin Spreer und Sarah Heithoff zum Schluss ihres Beitrages zum Geschichtswettbewerb die Arbeit der Friedensinitiative Havixbeck sehr positiv: „Die Friedensinitiative setzte sich für den Frieden in und außerhalb von Havixbeck ein. Die Mitglieder kämpften, demonstrierten und engagierten sich mit viel Aufwand für ihre Überzeugungen. Auch wenn es seine Zeit und Anstrengungen brauchte, die Friedensaktivisten wurden schließlich akzeptiert. Für die Bewohner von Havixbeck hat der Frieden einen hohen Stellenwert bekommen. Havixbeck kann froh sein, dass wir hier eine so engagierte Gruppe von Leuten haben.“
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Dr. Christa Degemann-Lickes und Roger Reinhard vom Friedenskreis Havixbeck nahmen erfreut die Geschichtsarbeit von Ann-Kathrin Spreer und Sarah Heithoff entgegen.
Aus früheren Zeiten: Die Mitglieder der Havixbecker Friedensintiative demonstrierten auch beim Karnevalumzug für den Frieden. (auf einem Foto: Christa Degemann-Lickes als Indianerin vom „Stamm der weißen Friedenstaube“)